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Freitag, 23. März 2018

Anthropophagie

Von religionswissenschaftler, 04:58

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Anthropophagie ("Menschenfresserei") ist der wissenschaftliche Begriff für Kannibalismus im Menschenreich, den man bewusst wählte, um ihn von diesem zu unterscheiden. Er gehört zu den ältesten neuzeitlichen Mythen der Menschheitsgeschichte, als Phänomen untersucht, sowohl in der Anthropologie, der Kulturwissenschaft, Soziologie, Ethnologie sowie natürlich der Archäologie. Nebenbei bemerkt: das Wort Kannibalismus stammt von Christopher Columbus, der mit Cannibales ein Indianervolk in der Karibik bezeichnete, das angeblich Menschenfleiß aß.

Jeder von uns kennt wohl das Bild von Natur- oder Inselvölkern mit einem riesigen Suppentopf, darin Menschen kochend und sie anschließend verspeisend. Doch was ist dran an diesem Mythos. Handelt es sich dabei um reine Fiktion oder um ein gesellschaftliches Phänomen, wie uns viele Forscher und Weltreisende weiszumachen versuchen.

Fest steht, überall in der Literatur begegnet uns Kannibalismus. Ob nun in fiktionaler Dichtung, wie in Daniel Defoes Robin Crusoe bis hin zu als wahr verkauften Reiseberichten europäischer Seefahrer und Forschungsreisender. Im Mittelalter wurden bereits unbekannte weiße Flecken und Stellen auf Landkarten mit der Bemerkung versehen: Anthrophagi sunt (Hier sind Menschenfresser). Verschiedentlich wurden jede Völker entweder nach Asien, Südamerika und die hier lebenden Indianer oder aber mit besonderer Vorliebe auf Afrika verortet. So sagte im 19. Jahrhundert noch der große deutsche Philosoph Hegel, der die Kannibalen in Schwarzafrika verortet: "Für den sinnlichen Neger ist Menschenfleisch nur Sinnliches, Fleisch an sich" (Philosophie der Geschichte).

Bekannt ist der Kannibalismus bei uns vor allem durch die Berichte des hessischen Seefahrers Hans Staden auf dem 16. Jahrhundert geworden, der bei seinen Reisen für die befreundeten Portugiesen Schiffbruch erlitt und von den brasilianischen Tupinamba gefangen genommen wurde und dort ein Jahr bei ihnen lebte. In seinen Aufzeichnungen heißt es: sie wollten einen Sklaven essen und bereiteten sich dazu mit dem Genuss halluzinogener Getränke vor. Staden versuchte in dieser Zeit mit dem Sklaven zu reden und fragte ihn, ob dieser denn keine Angst vor dem bevorstehenden Tod habe. "Nein", antwortete dieser freilich. Er sagte ihm, dass er nicht in feindlicher Absicht kämme und wie dieser ebenfalls ein Gefangener war. Er sagte zu ihm, dass er wohl wissen, dass Europäer keine Menschen essen würden. Daraufhin habe er dem Sklaven von Gott erzählt und dass dieser ihn, nachdem sein Leib verspeist würde, ihn mit seiner Seele im Himmelreich aufnehmen würde. Später tobte ein heftiger Sturm, der die Hütte, in der die Gefangenen gefangen gehalten wurden fast umwehte. Daraufhin erbosten die "Gastgeber" und gaben Staden die Schuld. Dieser hatte kurz vor dem Untergang seines Schiffes ein portugiesisches Buch retten können, in dem er nun fortwährend las. Die Tupinamba deuteten dies als Beschwörungsbuch und waren voller Zorn (Von der Tötung eines Gefangenen).

Allerdings gibt es auch die andere Seite. Der Afrika- Forschungsreisende David Livingstone berichtet, dass Naturvölker umgedreht Angst vor den Missionaren hatten, das sie befürchteten, dass diese ihre Sklaven, die sie angeblich als Nutz- und Schlachtvieh hielten, verspeisten. Gerade der christliche Gedanke der Eucharistie und der Transsubstantiationslehre musste diesen suspekt und unheimlich sein. Das Fleisch und das Blutes ihres Herrn, ihres Gottes vertilgen, was ist dies anderes als kannibalisch.  

Die moderne archäologische Forschung geht davon aus, dass es niemals in der gesamten Menschheitsgeschichte regelmäßigen und routinierten, gesellschaftlich akzeptierten Kannibalismus gegeben habe. Dies sei nichts weiter als ein Mythos und eine Diffamierung und Überheblichkeit des Westens, die diese Gerüchte voller Arroganz propagierten.

Das eigentlich Problematische daran ist aber, dass es natürlich Berichte über Kannibalismus gibt, diese allerdings mit absoluter Vorsicht zu genießen sind. Es handelt sich dabei keineswegs um Augenzeugenberichte, sondern stets um Informationen vom Hören-Sagen oder aus zweiter Hand. Die Zuverlässigkeit solcher Quellen ist also zu bezweifeln.

Auch die Archäologie ging lange Zeit von einer realhistorischen Anthropophagie aus, ob in der Steinzeit oder bei modernen Naturvölkern.

So wurde beispielsweise der berühmte Fund in der Jungfernhöhle bei Bamberg in Niederwachsen als Beweis und Nachweis für Kannibalismus im Neolithikum gewertet. Dort fand man zahlreiche Knochenfunde, die entsetzlich zugerichtet und grauenvoll anzusehen waren, abgenagt und lieblos aufeinander geworfen. Dass es sich dabei aber zwangsläufig um Kannibalismus handelt, ist ein allzu schnelles Urteil, das man nur zu gerne bestätigt sah. Tatsächlich handelte es sich dabei um nichts anderes, als um Bissspuren von wilden Tieren. Zertrümmerte Knochen, die auf Einwirkung durch Menschen hinweisen würden, fand man keine, ebenso keine Schnittspuren, wie bei abgetrennten Köpfen oder Körperteilen. Ein weiteres großes Problem der Archäologie ist und war, dass alle Begräbnisse, die nicht unseren christlichen westlichen Vorstellungen entsprechen, nicht als Begräbnis anerkannt werden und daher häufig als Kannibalismus gelten. Durchaus vorstellbar, wäre beispielsweise, dass die Knochen erst an einem anderen Ort lagen und im Nachhinein dort abgelegt und exhumiert wurden....

Auch zahlreiche andere Berichte über solche angeblichen Praktiken wurden von Wissenschaftlern bestätigt. So bestätigte der amerikanische Arzt Daniel Gajdusek, dass es sich bei einem Fall, der sich in den Bergen Papua-Neuguineas beim Volk der Fore ereignete, um Anthropophagie handeln müsse. Dort gab es vermehrt Fälle der Schüttelkrankheit Kuru. Also folgerte man, dass diese durch die Begräbnisriten der Fore entstand, in Folge dessen sie die Leichen der Toten ausgruben und deren Gehirne aßen. Merkwürdig nur, dass die Krankheit ausschließlich bei Frauen auftrat. Diese waren nämlich für die ungewöhnlichen Begräbnisritten zuständig, gruben die Leichen wieder aus, um sich anschließend zu reinigen und infizierten sich dabei mit der Verunreinigungen der toten Körper. Nachdem die Praxis von der Regierung verboten wurde, verschwand die Krankheit. Dort lebende Forscher haben sind niemals Zeugen von Kannibalismus geworden.

Auch gibt es Berichte, denen zufolge die Kannibalen, Fleischereien mit Menschenfleisch betrieben und dieses an ihren Wohnhäusern aufhängten....

Die moderne Forschung teilt Anthropophagie in verschiedene Bereiche eine: Profanen Kannibalismus, insbesondere also der Hungerkannibalismus sowie natürlich rituellen, kultischen oder auch magischen Kannibalismus. Während er sich bei ersterem um eine Ausnahmeerscheinung in bestimmten Not- und Extremsituationen handelt, geht es beim rituellen Kannibalismus darum die Kraft und den Mut des Feindes oder des Verstorbenen aufzunehmen (dies soll besonders bei bestimmten gesellschaftlichen Schichten wie Kriegern oder Angehörigen der Fall sein) oder sich an ihm zu rächen, indem man seinen Körper und seine Seele komplett verspeist, damit seine Existenz vollkommen vernichtet und damit folglich auch kein Leben in der Nachwelt mehr möglich ist.  

Meiner persönlichen Ansicht nach handelt es sich beim Kannibalismus, um nichts weiter als eine westliche arrogante Phantasmagorie gepaart mit Unkenntnis und kulturellen Missverständnissen, eine Erfindung und Diffamierung westlicher und abendländischer, christlicher Kolonisten und Missionare, die so versuchten ihren Überlegenheitsanspruch deutlich zu machen und eine Legitimation für ihre oft grausamen Missionierungs- und Eroberungsfeldzüge zu finden....

 

 Literatur


* Hans Staden Von der Tötung eines Gefangenen

*